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Weckruf für die Integrationspolitik

Die Kriminalstatistik 2023 zeigt integrationspolitischen Handlungsbedarf auf

Anfang April stellte die Bundesinnenministerin die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) 2023 vor: Die Zahl der Straftaten in Deutschland ist seit 2022 um 5,5 Prozent gestiegen. Eine Ursache für den Anstieg sieht das Bundeskriminalamt (BKA) in den hohen Zuwanderungszahlen. Die PKS legt nahe, dass ein Zusammenhang zwischen krimineller Neigung und mangelnder Integration bestehen kann. Welchen Beitrag könnte Integrationspolitik zur Kriminalitätsreduktion leisten?

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In der Debatte um die Gründe für den Anstieg von Straftaten in Deutschland seit 2022 dominieren Schuldzuweisungen, Verdächtigungen und Abwehrdiskurse. Die Kriminalwissenschaften weisen allerdings seit Längerem darauf hin, dass ein Zusammenhang zwischen krimineller Neigung und mangelnder Integration bestehen kann. Eine wirksame Kriminalitätsbekämpfung ist daher eng mit einer besseren Integrationspolitik verbunden.

                 

Statistik zeigt höhere Zahl nichtdeutscher Tatverdächtiger

Neben dem Befund einer allgemeinen Zunahme von Straftaten geht aus der PKS 2023 hervor, dass 41 Prozent der Tatverdächtigen keine deutschen Staatsangehörigen waren. Auch nach Abzug ausländerrechtlicher Verstöße liegt der Anstieg nichtdeutscher Tatverdächtiger seit 2022 bei 13,5 Prozent. Die Vergleichszahl für deutsche Tatverdächtige liegt bei einem Prozent. Etwa 78 Prozent der nichtdeutschen und 74 Prozent der deutschen Tatverdächtigen waren männlich. Die Hälfte der Tatverdachte entfiel auf deutsche Staatsangehörige ab 21 Jahren mit und ohne Migrationsgeschichte. In der Altersgruppe von 21 bis 29 Jahren zeigt die Statistik jedoch eine höhere Zahl nichtdeutscher Tatverdächtiger. Bei Gewaltdelikten wurde ein Anstieg ausländischer Tatverdächtiger im Vergleich zum Vorjahr um 14,5 Prozent (gegenüber 2,2 Prozent bei deutschen Tatverdächtigen) verzeichnet.

 

Zunehmende Skepsis gegenüber Zugewanderten

Diese Befunde fallen in eine Zeit zunehmender Skepsis gegenüber Zugewanderten. Ablehnende Haltungen haben laut einer aktuellen Studie der Bertelsmann Stiftung seit 2019 ähnlich stark zugenommen wie nach der Flüchtlingskrise 2015. Die PKS könnte die Ablehnung weiter bestärken. Der Verbreitung eines Generalverdachts gegenüber Eingewanderten sollte jedoch entgegengewirkt werden. Unter den Begriff „nichtdeutsche Tatverdächtige“ fasst die Kriminalstatistik Asylbewerberinnen und Asylbewerber, Kontingentflüchtlinge, Geduldete und Personen ohne Aufenthaltserlaubnis. Die Ergebnisse geben also nur Aufschluss über die Straffälligkeit einer Teilgruppe von Zugewanderten, die keine deutsche Staatsangehörigkeit besitzen oder staatenlos sind. Kriminologische Erkenntnisse aus dem Jahr 2020 weisen zudem auf eine rückläufige Kriminalität von Ausländerinnen und Ausländern, die bereits länger in Deutschland leben, hin. Dennoch stellt sich angesichts des Anstiegs ausländischer Tatverdächtiger die Frage, warum gerade ausländische junge Männer in Deutschland zunehmend Straftaten begehen und was dagegen unternommen werden kann.

 

Ursachen für den Kriminalitätsanstieg

In der Debatte wird häufig das demografische Argument als Ursache für den Kriminalitätsanstieg vorgebracht. Wissenschaftlich erwiesen ist, dass junge Männer durchschnittlich gewaltbereiter sind als ältere und Frauen. Durch eine hohe Einwanderung junger Männer steige folglich die Kriminalität. Zur Erklärung für die erhöhte Straffälligkeit von Geflüchteten spricht das BKA von einer Vielzahl an Risikofaktoren wie etwa wirtschaftliche Unsicherheit und Gewalterfahrungen. Auch die Frage der Herkunft und die Rolle kulturbedingter Gewalt ist Bestandteil der Debatte. Diese ist jedoch oft von Schuldzuweisungen und Verharmlosungen geprägt. Einerseits finden sich pauschalisierende und diskriminierende Behauptungen, nach denen Ausländer aufgrund ihrer Herkunft per se kriminell seien. Andererseits wird ein Zusammenhang von Zuwanderung und Kriminalitätsneigung pauschal zurückgewiesen und argumentiert, dass Zugewanderte schneller angezeigt würden und häufiger in prekären sozioökonomischen Verhältnissen lebten.

 

Mangel an Teilhabe, Anerkennung und Perspektiven

Demgegenüber verweisen Stimmen aus der Kriminologie auf gewalt- beziehungsweise kriminalitätsbegünstigende „Akkulturationsprobleme“, Schwierigkeiten der Aneignung von Werten des Aufnahmelandes und der Entwicklung eines Zugehörigkeitsgefühls unter ausländischen Jugendlichen. Nach Einschätzung des Münsteraner Kriminologen Christian Walburg würde auch ein Mangel an Teilhabe, Anerkennung und Perspektiven zu einer geringen Bindung junger Männer an gesellschaftliche Normen und Regeln beitragen. Diese Befunde verdeutlichen, dass handlungsorientierte Integrationspolitik einen wichtigen Beitrag zur Kriminalitätsreduktion leisten kann.

 

Integrationsmaßnahmen können integrationsfördernd und gewaltmindernd wirken

Deutschland ist auf ausländische Fachkräfte angewiesen. Der Anstieg ausländischer Tatverdächtiger unterstreicht allerdings die Notwendigkeit, den von der Bundesregierung im Koalitionsvertrag vorgenommenen Kurswechsel in der Integrationspolitik auf den Prüfstand zu stellen. Die 2021 vorgenommene Fokussierung auf den Zugang zu Sprache, Bildung und Arbeitsmarkt reicht nicht aus. Vor dem Hintergrund der Gewaltprävention sind die Formulierung von Erwartungshaltungen, Werteerziehung, soziale Integration, Anti-Gewalt-Trainings und die Stärkung der Schulsozialarbeit wichtig. Auch Maßnahmen zur Einbindung von Jugendlichen in gemeinschaftliche Aktivitäten wie Sport, Ehrenamt und ein Gesellschaftsjahr können integrationsfördernd und gewaltmindernd wirken. Darüber hinaus sollten Integrationsangebote für Eltern verbessert werden, damit diese einen Beitrag zur Integration ihrer Kinder leisten können. Die Ergebnisse der Kriminalstatistik 2023 sollten als Weckruf verstanden werden, in der Integrationspolitik nicht nur das Fördern, sondern auch wieder das Fordern zu betonen.

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Natalie Klauser

Natalie Klauser

Demografischer Wandel und Integrationspolitik

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